Wie Licht auf Gene wirkt

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ForscherInnen um Andrea Barta entschlüsseln molekularen Prozess genetischer Vielfalt

Um zu überleben, müssen sich Pflanzen so schnell wie möglich an Umweltbedingungen wie wechselnde Lichtverhältnisse anpassen. Andrea Barta und ihr Team an den Max F. Perutz Laboratories (MFPL) der Medizinischen Universität Wien konnten nun gemeinsam mit Forschungsgruppen aus Argentinien und Schottland zeigen, dass Chloroplasten hier eine Schlüsselfunktion innehaben. Sie fanden heraus, dass diese für die Photosynthese zuständigen Pflanzenorganellen den Prozess des alternativen Spleißens im Zellkern kontrollieren. Die Ergebnisse ihrer Studie sind in der März-Ausgabe von Science nachzulesen (DOI: http://dx.doi.org/10.1126/science.1250322).

Alternatives Spleißen: ein wichtiger Spieler im genregulatorischen Netzwerk

DNA ist der Informationsträger des Lebens und dient verschiedenen Proteinen als Vorlage, um die in ihr enthaltene Information in messenger RNA (mRNA) zu überschreiben. Die Sequenzen der mRNA wiederum entscheiden, wie das Protein aussieht, das nach diesem Bauplan gefertigt wird. Vor dem Umwandeln der Information in Protein werden aus der mRNA allerdings die Teile entfernt, die für den Zusammenbau von Proteinen nicht benötigt werden. Dieser Prozess der Herausschneidens und wieder Zusammensetzens der mRNA wird als Spleißen bezeichnet. Beim alternativen Spleißen entstehen aus ein und derselben mRNA durch Entfernen unterschiedlicher Stücke in weiterer Form auch unterschiedliche Proteine. Somit kann ein einziges Gen für verschiedene Proteine codieren. Bei Menschen wie bei Pflanzen ist der Prozess des alternativen Spleißens ein Hauptfaktor für die genetische Vielfalt. Alternatives Spleißen beeinflusst die so genannte Genexpression in einem erstaunlichen Ausmaß: Es wird geschätzt, dass über 90% der menschlichen Gene und etwa 60% der Gene von Arabidopsis thaliana (Ackerschmalwand, eine Modellpflanze im Labor) alternativ gespleißt werden. Das Spleißen ist ein stark regulierter Prozess, der von vielen Faktoren innerhalb eines komplexen Netzwerks abhängig ist. Läuft hier etwas schief, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit für Mutationen und Fehlregulierungen der Gene, die Krankheiten verursachen. Aktuelle Schätzungen gehen davon aus, dass circa 50% aller krankheitsverursachenden Mutationen letztlich Fehler im Spleiß-Prozess hervorrufen.

„Der Spleiß-Mechanismus ist in Pflanzen- wie in Tierzellen großteils derselbe. Daher sind Pflanzen wie Arabidopsis, die in dieser Studie verwendet wurden, perfekte Modellorganismen, um das Fine-Tuning des genregulatorischen Netzwerkes zu untersuchen“, erklären Ezequiel Petrillo und Maria Kalyna, die die ersten Experimente dieser Kollaborationsstudie bereits vor sechs Jahren durchführten. „Und wenn man weiß, dass ein wesentlicher Teil des Chloroplastengenoms im Laufe der Evolution in den Zellkern gewandert ist, verwundert es nicht, dass diese beiden Zellorganellen miteinander kommunizieren müssen. Nur so ist es sicher, dass Proteine zur richtigen Zeit und in der benötigten Menge produziert werden. Chloroplast und Zellkern sind also wie ein altes Ehepaar, das begriffen hat, wie wichtig Kommunikation für eine erfolgreiche Partnerschaft ist“, fügt Ezequiel schmunzelnd hinzu.

Lichtverhältnisse beeinflussen alternatives Spleißen

Die ForscherInnen zeigen, dass Chloroplasten bei veränderten Lichtverhältnissen Signale aussenden, die den Spleiß-Vorgang in einer Untergruppe von Arabidopsis-Genen verändert. Entscheidend sind dabei die Plastochinone, an der Photosynthese beteiligte Moleküle in den Chloroplasten. Licht verändert den chemischen Zustand der Plastochinone, der Zellkern reagiert auf eine solche Änderung.

Interessanterweise konnten die ForscherInnen auch nachweisen, dass der Chloroplast nicht nur zum Zellkern Signale sendet, sondern auch ein Signal durch die ganze Pflanze reist: Wenn die Kommunikation zwischen den Blättern und den Wurzeln nicht unterbrochen wird, werden auch hier die Spleiß-Vorgänge an die Lichtverhältnisse angepasst.

Ein Blick in die Zukunft

„Da sich die Spleiß-Mechanismen im Pflanzen- und Tierreich sehr ähneln, werden Forscher irgendwann in der Zukunft untersuchen, ob dieser Vorgang auch in Organellen von Säugetierzellen, wie etwa Mitochondrien, stattfindet“, erklärt Ezequiel. „Es wäre interessant zu ergründen, wie Chloroplasten und Mitochondrien gelernt haben, die Genexpression im Zellkern zu manipulieren. Als nächstes möchten wir jedoch mehr über den Signalweg zwischen Chloroplasten und Zellkern herausfinden und wie das Signalmolekül die Lichtmeldung von den Blättern zu den anderen Pflanzenteilen bringt.“

Publikation in Science:
Ezequiel Petrillo, Micaela A. Godoy Herz, Armin Fuchs, Dominik Reifer, John Fuller, Marcelo J. Yanovsky, Craig Simpson, John W. S. Brown, Andrea Barta, Maria Kalyna, Alberto R. Kornblihtt:
A chloroplast retrograde signal regulates nuclear alternative splicing. In: Science (März 2014). DOI: http://dx.doi.org/10.1126/science.1250322

Erstellt am: 14.4.2014

s, 14.04.2014