"Trauriger" Medizin-Nobelpreis

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TierschützerInnen kritisieren die Vergabe des aktuellen Medizin-Nobelpreises - die ForscherInnen hätten Rattengehirne zerstört und damit ethische Kriterien missachtet. Nobelpreisträgerin rechtfertigt die Versuche.

Nobelpreis für "inneres GPS" im Gehirn

Seit Montag ist es offiziell: Der Nobelpreis für Medizin 2014 geht an den US-Forscher John O'Keefe sowie an das norwegische Forscherehepaar May-Britt Moser und Edvard I. Moser. Damit werden die drei ForscherInnen für ihre Arbeit über den Orientierungssinn des Menschen und dessen neurophysiologische Grundlagen ausgezeichnet. Die drei ForscherInnen haben laut Nobelpreiskomitee das "innere GPS"-System im Gehirn von Ratte und Mensch entschlüsselt.

Kritik an Tierversuchen

Doch in Norwegen gibt es nicht nur Freude über den Nobelpreis. Live Kleveland, Sprecherin der norwegischen Tierschutzallianz, äußerte sich „traurig“ darüber, dass der Nobelpreis Forschung belohne, die ethischen Kriterien nicht entspräche. Die ForscherInnen hätten die Gehirne von Ratten teilweise durch Implantate und giftige Injektionen zerstört und bei ihnen so Angst und Stress ausgelöst. Erfolglos habe ihre Vereinigung sich bemüht die Versuche auf juristischem Wege zu stoppen. Auch die Tierschutzorganisation PETA gab zu bedenken, dass sich diese Forschung nicht mit den Werten des Nobelpreises vereinen ließe.

Die Nobelpreisträgerin May-Britt Moser wies ähnliche Kritik bereits 2011 in einem Interview mit der norwegischen Zeitschrift Technical Weekly Magazine zurück. Darin erzählte sie von ihrem großen Respekt gegenüber den Tieren. Sie sei in ihrer Jugend selbst Mitglied einer Tierschutzorganisation gewesen und versuche die Haltungsbedingungen der Tiere so gut wie möglich durch so genanntes „Enrichment“ zu verbessern. Ihre Käfige seien größer als erforderlich, die Tiere würden in Gruppen leben und hätten auch Spielzeug zur Verfügung. Eine gute Behandlung der Tiere sei zudem im Sinne der Forschung, denn nur so könne man aussagekräftige Daten erhalten.

Aktuell wies die Forscherin darauf hin, dass ihre Forschungen den geltenden norwegischen Gesetzen entsprechen. „Wenn wir die Tiere operieren, werden sie wie Menschen behandelt. Sie bekommen Narkosemittel und eine gute Nachbehandlung, damit sie keinen Schmerz fühlen“, so Moser. Sie selbst sei als Tierfreundin froh darüber, dass sich Menschen für Tierrechte einsetzen. Die Tiere in ihrem Labor hätten alle Namen und würden dementsprechend wie Haustiere behandelt.

Alternative bildgebende Verfahren

Für die Sprecherin der norwegischen Tierschutzallianz werden in Zukunft Tierversuche wie jene Mosers gesellschaftlich nicht mehr akzeptiert werden. Auch PETA betonte, dass die Anwendung invasiver Methoden in einem Forschungsbereich, in dem es bereits bildgebende Ersatzverfahren für Tierversuche gibt, indiskutabel sei. Das Nobelpreiskomitee solle besser innovative ForscherInnen würdigen, die mit modernen tierversuchsfreien Methoden arbeiten. Ob diese Forderung in Zukunft beim Komitee Gehör findet, wird sich zeigen.

Fest steht jedoch, dass der Einsatz von Tierversuchen in der Forschung immer wieder auf Protest stößt. Erst kürzlich übten TierschützerInnen Kritik an der Ice Bucket Challenge, die ihrer Meinung nach sinnlose Tierversuche fördere. Der Frage, ob Tierversuche notwendig oder ersetzbar sind, geht Open Science gemeinsam mit Dr. Thomas Kolbe, Experte für Versuchstierkunde, am 24. Oktober in einer VHS-Veranstaltung an der Wiener Urania auf den Grund. Interessierte können den freien Eintritt gewinnen und ihre Meinung gemeinsam mit anderen diskutieren!

Quelle:

APA Science, 06.10.2014, "Medizin-Nobelpreis 2014 geht an Gehirnforscher"

Erstellt am 8. Oktober 2014

s, 09.10.2014