Frühaufsteher oder Nachtschwärmer - seit etwa zehn Jahren weiß man, dass unsere Gene mitbestimmen, ob wir um vier Uhr in der Früh wach sind und abends um halb sechs erschöpft ins Bett fallen, oder ob unser Tag erst richtig beginnt, wenn die Sonne untergeht.
Mehr als die Hälfte der Menschen in Industrieländern tickt nicht richtig: ihr biologischer Rhythmus passt nicht zu dem Stundenplan, nach dem sie sich täglich richten müssen. Spätstarter (Eulen) werden aus dem Bett gehetzt, Frühaufsteher (Lerchen) müssen bis zum Abend durchhalten, und Menschen mit normalem Rhythmus werden durch Schichtarbeit oder Reisen durcheinander gebracht. Wir stören unsere innere Uhr auch, wenn wir zu viel Zeit drinnen verbringen. Sogar die halbjährliche Umstellung zwischen Winter- und Sommerzeit schwächt unseren Körper für einige Zeit.
Ob jemand eine Eule oder Lerche ist, oder irgendwo dazwischen liegt, bezeichnet man als den persönlichen „Chronotyp“ (griechisch chronos, Zeit), er wird vorwiegend durch unsere Gene bestimmt. Obwohl Jugendliche und jüngere Erwachsene eher Eulen sind als Kinder oder Ältere Personen, bleibt der Chronotyp im Vergleich zu Gleichaltrigen das ganze Leben lang derselbe.
Wenn sich Lerchen und Eulen dem üblichen Terminraster unterwerfen müssen, bekommen sie Probleme. Sie werden schlaflos oder schläfrig, leiden unter psychischen Störungen oder Stoffwechselkrankheiten. Schichtarbeit kann sogar das Krebsrisiko erhöhen.
2:00 – Wir schlafen tief und fest
4:30 – Niedrigste Körpertemperatur
6:45 – Der Blutdruck steigt schnell an
7:30 – Melatonin, ein Hormon, das uns in Tiefschlaf versetzt hat, wird abgeschaltet
8:30 – Zeit für den Stuhlgang
9:00 – Testosteron regt unseren Appetit und andere Körperfunktionen an
10:00 – Größte Aufmerksamkeit
14:30 – Beste Koordinationsfähigkeit
15:30 – Kürzeste Reaktionszeit
17:00 – Herz- und Muskelfunktion am effizientesten
18:30 – Höchster Blutdruck
19:00 – Höchste Körpertemperatur
21:00 – Melatonin wird ausgeschüttet und bereitet uns auf den Schlaf vor
22:30 – Der Stuhlgang wird unterdrückt
Unser wichtigster Zeitgeber ist der tägliche Kreislauf von Licht und Dunkelheit. Die Netzhaut sendet diese Information an einen erbsenkleinen Bereich im Zwischenhirn, den sogenannten Superchiasmatischen Nucleus (SCN). Er schaltet durch Nervensignale und Hormone verschiedene Gene im Tagesrhythmus an und ab. So werden zum Beispiel im Verdauungstrakt Enzyme und Säuren zur rechten Zeit produziert.
Der SCN gibt - wie die Standardzeit von Greenwich – den Rhythmus für die anderen Uhren an, und normalerweise laufen sie alle synchron. Doch manchmal, etwa nach einem Fernflug, kommen sie aus dem Takt. Der SCN ist nach einem Tag (mit Licht und Dunkelheit) schnell nachjustiert, doch die anderen Uhren können über eine Woche benötigen, bis sie wieder eingestellt sind. Das heißt, im Jetlag laufen alle unsere inneren Uhren durcheinander.
Auch andere Steuermechanismen für unsere Körperfunktionen sind bekannt: So etwa wird der Leberstoffwechsel auch durch die Nahrungsaufnahme synchronisiert.
Auch wenn sich der biologische Rhythmus mit den Tag- und Nachtphasen auf der Erde synchronisiert, ist er genetisch vorgegeben.
Einige der Gene, die dabei Schlüsselfunktionen innehaben, wurden in den vergangenen Jahrzehnten erkannt und beschrieben: clock, bmal1, period oder cryptochrome etwa, ihre Aktivität steigt und fällt im 24-Stunden-Rhythmus. Sind solche Gene defekt, passt der 24h Takt nicht mehr, je nach Gen und Art des Defekts ist der Zyklus länger, kürzer oder gar nicht mehr vorhanden.
Im Jahr 2017 rückte die Chronobiologie verstärkt ins Rampenlicht: den drei US-amerikanischen Forschern Jeffrey Hall, Michael Rosbash und Michael Young wurde der Nobelpreis für Medizin für ihre Studien zur Entschlüsselung der inneren Uhr verliehen - beschrieben auch in unserem News-Artikel.
Gendefekte können Personen zu extremen Lerchen machen, die um 4h morgens aufwachen und abends um 7h30 ins Bett fallen, oder zu Eulen, die erst um 6h in der Früh einschlafen, und nicht vor 2h nachmittags wieder aufwachen. Für den ersten Fall (familial advanced sleep-phase syndrome) sind Mutationen in einem einzelnen Gen (period2) verantwortlich, bei den Eulen im anderen Extrembeispiel (delayed sleep-phase syndrome) hat man noch kein Gen gefunden. Hier könnten mehrere Gene zusammenspielen, um die Eulen aus dem Rhythmus zu bringen.
Viele Stoffwechselfunktionen laufen im 24h-Takt, und Personen, die durch Schichtarbeit Probleme mit dem Tagesrhythmus bekommen haben, leiden daher oft an Magen-Darm- oder Stoffwechselkrankheiten wie Glukose-Intoleranz, Diabetes oder Bluthochdruck. Auch haben Personen mit Schlafstörungen oft Depressionen, doch hier ist es schwer zu sagen, ob die Depressionen zu Schlafstörungen führen oder umgekehrt.
Diese Form der Behandlung kann einen unerwünschte Schlafrhythmus wieder zu einem normalen Takt bringen. ForscherInnen suchen auch nach Medikamenten und Verhaltensweisen, um den Tagesrhythmus zu ändern. Es gibt zum Beispiel Medikamente, die Schlaflosigkeit bekämpfen, indem sie das Hormon Melatonin, das dem Körper am Abend „Zeit zum Schlafengehen“ sagt, nachahmen.
WissenschaftlerInnen wollen herausfinden, welcher Rhythmus für die jeweiligen Chronotypen der Gesündeste ist. Sie setzen Mäuse Schichtarbeiter-Rhythmen aus, und untersuchen ihr Verhalten, und wie die Stundenpläne ihre verschiedenen „lokalen Uhren“ beeinflussen. Sie entwickeln Labortests, um beim Menschen die persönlichen Chronotyopen schnell und unkompliziert zu ermitteln, und wollen mit diesem Wissen ein Computermodell basteln, das jeder/m aufgrund von Chronotyp und Schlafbedürfnis einen persönlichen Stundenplan erstellt.
Tipps:
Sie können Ihren persönlichen Chronotyp mittels Fragebogen ermitteln (Universität München): MCTQ
Oder untersuchen Sie im Vienna Open Lab Kurs "Vom Gähnen und Genen" Ihre DNA und finden heraus, welcher Chronotyp Sie sind.
Artikel aktualisiert am 12.10.2017 von AS
s, 10.03.2013