Wilfried Ellmeier und sein Team von der MedUni Wien haben bei Untersuchungen am Tiermodell eine vielversprechende Entdeckung gemacht: Die Histon-Deazetylase 1 (HDAC1) scheint bei Multipler Sklerose eine wichtige Rolle zu spielen und könnte hier einen möglichen therapeutischen Ansatz bieten.
Multiple Sklerose (MS) ist eine Autoimmunerkrankung, bei der es zu einer chronischen Entzündung des Zentralnervensystems kommt. Die Markscheiden der Nervenzellen im Gehirn und Rückenmark werden von körpereigenen T-Zellen – das sind spezielle weiße Blutkörperchen des Immunsystems- angegriffen. MS ist die häufigste Erkrankung des zentralen Nervensystems bei jungen Erwachsenen, und weltweit sind rund 2,5 Millionen Menschen davon betroffen. In Österreich leiden knapp 13.000 Menschen an dieser neurodegenerativen Erkrankung, und jedes Jahr kommen 400 neue Fälle dazu. Momentan gibt es keine Heilung für MS, mit einer Therapie kann lediglich der Verlauf der Erkrankung verzögert werden. MS - aufgrund des sehr individuellen und unterschiedlichen Verlaufes auch „Krankheit mit den tausend Gesichtern“ genannt - tritt in Schüben auf und äußert sich unter anderem durch Sehstörungen, Taubheitsgefühle, Muskelbeschwerden, Lähmungserscheinungen und Bewegungsstörungen.
Wie in allen übrigen Zellen muss auch in Immunzellen die in der DNA enthaltene Information korrekt ausgelesen werden. Die Aktivität von Genen unterscheidet sich zu unterschiedlichen Zeitpunkten der Entwicklung und Differenzierung, und auch bei Erkrankungen kann es zu veränderten Genaktivitäten kommen. Wie dicht die DNA in Zellen verpackt ist und wie gut sie somit abgelesen werden kann oder nicht, wird durch epigenetische Mechanismen gesteuert. Hier hat die Familie der so genannten Histon-Deazetylasen eine entscheidende Funktion: Diese Enzyme bestimmen den Verpackungsgrad der DNA und somit auch, wie effizient die darin enthaltene Information abgelesen werden kann. Insgesamt sind 18 verschiedene HDACs bekannt.
Die Experimentelle Autoimmun Encephalomyelitis (EAE) ist eine Autoimmunerkrankung, die man gezielt in Labortieren auslösen kann. Da vor allem bei Ratten und Mäusen die auftretenden Symptome die gleichen wie bei Multipler Sklerose sind, kann man so MS im Tiermodell untersuchen.
WissenschaftlerInnen um Wilfried Ellmeier von der MeduniWien untersuchten nun gemeinsam mit Forschungsgruppen aus Japan, Deutschland und der Schweiz Mäuse, in denen die Histon-Deacetylase1 (HDAC1)spezifisch in T-Zellen ausgeschaltet war. Die ForscherInnen machten dabei eine vielversprechende Entdeckung: Mäuse, denen HDAC1 in T-Zellen fehlte, bildeten EAE nicht aus, auch wenn die Erkrankung künstlich hervorgerufen wurde. Welcher genaue Mechanismus diesen schützenden Effekt bewirkt, ist allerdings noch nicht bekannt, und es sind noch Folgestudien nötig, um dies zu klären.
Viele präklinische Studien im Tiermodell wiesen bereits darauf hin, dass HDAC-Inhibitoren bei Autoimmunerkrankungen wirksam sein könnten. Allerdings hatten die bisher zur Behandlung eingesetzten Breitbandinhibitoren von HDAC-Molekülen alle einen erheblichen Nachteil: Es gab es stets auch starke Nebenwirkungen, die dem positiven therapeutischen Effekt gegenüber standen.
Die große Hoffnung für eine mögliche Therapie von MS steckt nun in der Anwendung von Inhibitoren, die gezielt HDAC1 hemmen. „Unsere Studie zeigt auf, dass die Entwicklung und Verwendung von HDAC1-spezifischen Inhibitoren, mit potenziell weniger Nebenwirkungen als Breitbandinhibitoren, ein möglicher therapeutischer Ansatz gegen MS sein könnte“, meint die Erstautorin Lisa Göschl. Laut Studienleiter Ellmeier sind aber noch einige weiterführende Studien notwendig, um das herauszufinden.
Quellen:
News der MeduniWien vom 17.10.2017
Originalpublikation:
Göschl L., Pregelj T., Hamminger P. et al.: A T-cell specific deletion of HDAC1 protects against experimental autoimmune encephalomyelitis (2017). J Autoimm Sep 27. pii: S0896-8411(17)30595-4.
Artikel erstellt am 07.11.2017 von AS
s, 07.11.2017