Medizin-Nobelpreis 2017 für Erkenntnisse zur inneren Uhr

Bild: Bild: Pixabay, CCO

Am 2.10.2017 wurden die drei US-amerikanischen Forscher Jeffrey Hall, Michael Rosbash und Michael Young mit dem diesjährigen Nobelpreis für Medizin ausgezeichnet. Die Wissenschaftler bekamen die prestigeträchtige Ehrung, die mit beinahe einer Million Euro dotiert ist, für ihre Studien zur Entschlüsselung der inneren Uhr.

Die so genannte innere Uhr - in der Fachwelt als „zirkadianer Rhythmus“ bekannt – steuert in unserem Körper viele wichtige Vorgänge. Welche Auswirkungen es beispielsweise hat, wenn Schlafen und Wachsein nicht im gewohnten Rhythmus erfolgen, kennen sowohl Schichtarbeiter als auch Partywütige. Auch der Jetlag nach einer langen Reise ist vielen bekannt und auf eine Störung der inneren Uhr zurückzuführen.

Die innere Uhr steuert wichtige Funktionen

Menschen, Tiere und Pflanzen sind dem 24-stündigen Rhythmus von Tag und Nacht unterworfen, der durch die Rotation der Erdkugel bedingt ist. Die meisten lebenden Organismen passen sich mithilfe der zirkadianen Uhr an die Schwankungen des Tages an. Unser Verhalten, Hormonproduktion, Schlaf, Körpertemperatur, Verdauung, Stoffwechsel, Aufmerksamkeit – all das wird vom Tag-Nacht-Rhythmus bestimmt. Im Schlaf etwa werden bei Mensch und Tier viele Funktionen nicht mehr auf Höchstniveau gehalten. Dasselbe gilt auch für die Photosynthese bei Pflanzen.

Kleine Geschichte der Chronobiologie

Die Vermutung, dass eine innere Uhr existiert, gibt es schon lange. Bereits im 18. Jahrhundert stellte der französische Astronom Jacques d’Ortous de Mairan fest, dass sich die Blätter von Mimosen tagsüber zur Sonne öffnen und in der Nacht schließen. Egal, ob er die Pflanzen tagsüber ins Dunkle stellte oder nicht – das Öffnen und Schließen der Blätter erfolgte stets im Tag-Nacht-Rhythmus, auch ohne Information zum Sonnenstand. Hiermit war der Grundstein für die Chronobiologie gelegt, die sich mit der zeitlichen Organisation physiologischer Prozesse und sich wiederholender Verhaltensmuster von Organismen beschäftigt. Zahlreiche WissenschaftlerInnen forschten fortan auf diesem Gebiet – erwähnenswert sind hier etwa die Bunker-Experimente von Jürgen Aschoff in den 1960er-Jahren, in denen mit Testpersonen in vollkommener Abschottung von der Außenwelt die Existenz der inneren Uhr bewiesen werden konnten.

Period, timeless und doubletime: Schlüssel-Gene im molekularen Uhrwerk

In den 1970er-Jahren machten die Molekularbiologen Seymor Benzer und Ronald Konopka eine wichtige Entdeckung bei ihren Versuchen mit der Fruchtfliege Drosophila melanogaster: sie identifizierten ein bis dahin unbekanntes Gen, das eine Schlüsselrolle bei der Steuerung der inneren Uhr spielt, und nannten es period.

Etliche Zeit später, im Jahr 1984, gelang es den diesjährigen Medizinnobelpreisträgern Hall, Rosbash und Young schließlich, dieses Gen zu isolieren. Hall und Rosbash konnten in weiterer Folge zeigen, dass sich das vom period-Gen codierte Protein PER in der Nacht in den Zellen ansammelt und am Tag abgebaut wird.

Weitere zehn Jahre später, im Jahr 1994, gelang es Young, mit timeless ein weiteres wichtiges Gen des inneren Uhrwerks zu charakterisieren. Das von timeless codierte Protein TIM bindet an PER und ermöglicht diesem den Übertritt vom Zytoplasma in den Zellkern. Dort blockieren PER und TIM gemeinsam das Gen period, was bedeutet, dass es zur negativen Rückkopplung kommt.

Wenig später identifizierte Young das Gen doubletime, das die Ansammlung von PER im Zellkern verzögert.

In den darauffolgenden Jahren lieferten Hall, Robash und Young weitere wichtige Erkenntnisse zur inneren Uhr und dazu, wie Licht diese synchronisieren kann. Die drei Forscher trugen mit ihren Entdeckungen maßgeblich zum Verständnis bei, dass der biologische Rhythmus genetisch vorgegeben ist – auch wenn er sich mit den Tag- und Nachtphasen auf der Erde synchronisiert.

Medizinischer Nutzen

Auch für die Medizin sind neue Erkenntnisse aus der Chronobiologie von großer Relevanz: Da auch unsere Leber im Tag-Nacht-Zyklus gesteuert wird, können beispielsweise Medikamente, die zu verschiedenen Tageszeiten verabreicht werden, auch unterschiedlich wirken.

 

Mehr zur Chronobiologie gibt es in unserem entsprechenden Wissens-Artikel nachzulesen.

 

Quellen:

APA science, abgefragt am 02.10.2017

Science.ORF.at, abgefragt am 02.10.2017

 

Ausgewählte Originalpublikationen der Preisträger:

Bargiello TA, Jackson FR, Young MW: Restoration of circadian behavioural rhythms by gene transfer in Drosophila (1984). Nature, Dec 20-1985 Jan 2;312(5996):752-4.

Reddy P, Zehring WA, Wheeler DA, Pirrotta V, Hadfield C, Hall JC,and Rosbash M.: Molecular analysis of the period locus in Drosophila melanogaster and identification of a transcript involved in biological rhythms (1984). Cell, Oct;38(3):701-10.

Vosshall LB, Price JL, Sehgal A, Saez L, and Young MW: Block in nuclear localization of period protein by a second clock mutation, timeless (1994). Science, Mar 18;263(5153):1606-9.

 

Artikel erstellt am 12.10.2017 von AS

s, 12.10.2017