Die Nutrigenomik befasst sich mit dem Zusammenspiel von Genen und Ernährung, denn je nach genetischer Ausstattung unterscheidet sich die Wirkung von Nährstoffen auf den Menschen.
Das Paradebeispiel der Nutrigenomik ist die Milchzucker Verträglichkeit: In Europa hat sich nach jahrtausendelanger Milchviehzucht eine genetische Variante durchgesetzt, dank der auch Erwachsene noch Milchzucker (Lactose) verdauen können. Bei vielen AfrikanerInnen und AsiatInnen hingegen löst Milch Übelkeit und Durchfall aus. Diese Milchzucker-Verträglichkeit hängt von einem einzigen Gen ab, man spricht hier von monogenetischen Merkmalen.
Andere Phänomene, wie zum Beispiel die Höhe des Cholesterinspiegels im Blut, hängen vom Zusammenspiel vieler Gene ab (polygenetisch). Über diese komplexen Wechselwirkungen sind die Zusammenhänge derzeit nur im Ansatz bekannt.
Gen-Diät als Vorsorge oder Therapie
Zunächst werden die individuellen genetischen Veranlagungen bestimmt, um zu erkennen ob ein erhöhtes Risiko zu Krankheiten die durch die Ernährungsweise beeinflusst werden können besteht. Typische solcher Erkrankungen sind Fettleibigkeit, Herz-Kreislauferkrankungen, Rheuma, Osteoporose oder ernährungsabhängige Zuckerkrankheit. Nun können ErnährungswissenschaftlerInnen eine persönliche Ernährungsempfehlung erstellen, mit dem Ziel das Risiko einer solchen Erkrankung zu reduzieren. Speziell für die Patientin oder den Patienten können Functional Foods designed werden um eine optimale Ernährung zu gewährleisten. Für Stoffwechselerkrankte oder übergewichtige Personen sind diese Maßnahmen ein Teil der Therapie.
Individuelle Ernährungsempfehlungen
Bislang unterschieden sich Ernährungsempfehlungen nur nach dem Alter (z.B. Kinder), nach besonderem physiologischen Status (z.B. Schwangere, SportlerInnen), oder vorhandenen chronischen Erkrankungen (z.B. Allergien, Diabetes, Fettstoffwechselstörungen). Mithilfe der Nutrigenomik wollen die ErnährungswissenschaftlerInnen diese Empfehlungen nun personalisieren, das heißt dem individuellen Krankheitsrisiko anpassen. Die Bestimmung der genetischen Veranlagung (Genotypisierung) erlaubt eine sehr frühe Feststellung des Krankheitsrisikos. So können schon sehr früh Vorsorgemaßnahmen ergriffen werden, was z.B. bei Typ-2 Diabetes extrem hilfreich ist.
Evolution und Ernährung
Während Japaner traditionell fettarm essen, schwimmt bei SüdeuropäerInnen die gemüsereiche Kost in Olivenöl. Süddeutsche und ÖsterreicherInnen holten sich vermutlich fernab von jedem Meer die für das Herz-Kreislaufsystem wichtigen Omega-3 Fettsäuren von traditionellen Gerichten aus Hirn und Innereien. Die berühmte Mittelmeer-Diät mit Gemüse und Olivenöl sorgt laut einer Studie tatsächlich bei Griechinnen für ein längeres Leben, bei deutschen Frauen bringt sie jedoch nichts, diese sterben bei dieser Diät sogar eher früher als bei traditioneller Kost. Der Mensch ist also an die Nahrung der Vorfahren angepasst.
Nutrigenomik - Stand der Dinge
Das Bestimmen der persönlichen genetischen Information ist für Ernährungsempfehlungen nutzlos, wenn dies nicht viel zur Feststellung des Erkrankungsrisikos beiträgt. Der Beitrag der bislang identifizierten Merkmale zum gesamten Krankheitsrisiko ist jedoch gering und viel kleiner als der von konventionellen Risikofaktoren (wie z.B. das Auftreten von bestimmten Erkrankungen in der Verwandtschaft). So beeinflusst z.B. das Calpain-10 Gen das Risiko an Diabetes zu erkranken nur um 20 %. Ist jedoch eine Person aus der nahen Verwandtschaft an Diabetes erkrankt steigert dies das persönliche Risiko um 400 %, Fettleibigkeit bringt noch einen weiteren 4 bis 30-fachen Anstieg. Das heißt, die derzeitigen kommerziellen Angebote sind noch viel teurer und weniger informativ als informelles Gespräch mit der Hausärztin oder dem Hausarzt.
s, 10.03.2013